Gurs

Lager

France

http://www.cheminsdememoire.gouv.fr/page/affichelieu.php?idLang=de&idLie...

http://de.wikipedia.org/wiki/Camp_de_Gurs

Camp de Gurs

Das Camp de Gurs in der französischen Ortschaft Gurs am Westrand der Pyrenäen war bereits vor dem Zweiten Weltkrieg das größte französische Internierungslager. Es wurde für politische Flüchtlinge und Kämpfer des spanischen Bürgerkrieges eingerichtet[1].

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges während der deutschen Besetzung Nordfrankreichs nutzte anfangs die Regierung von Édouard Daladier, später das Vichy-Regime es als Internierungslager zur Unterbringung von Strafgefangenen zusammen mit Unerwünschten, nach dem Waffenstillstand vom 22. Juni 1940 für jüdische Familien aus der von Deutschen besetzten französischen Zone. Formell stand das Lager auch während dieser Zeit unter französischer Verwaltung.
Inhaltsverzeichnis
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1 Situation im Lager
2 Heimatländer der Gefangenen in alphabetischer Reihenfolge; Gründe für die Internierungen
2.1 Belgien
2.2 Deutschland
2.3 Frankreich
2.4 Niederlande
2.5 Spanien
2.6 Inhaftierte aus weiteren vom Dritten Reich besetzten Ländern
2.7 Lagerstatistiken
3 Bekannte Häftlinge
4 Literatur
5 Weblinks
6 Einzelnachweise

Situation im Lager [Bearbeiten]

Gefangene mussten teilweise anfangs auf dem nackten Erdboden schlafen, später durften sie sich einen Sack mit Stroh als Unterlage füllen. Dabei wurde ihnen in den Baracken ein 70 Zentimeter breiter Raum zugestanden. Die erfolgte Trennung von der Familie, Hunger, katastrophale hygienische Bedingungen und Krankheit prägten die Situation; durchschnittlich starben täglich sieben Menschen.[2]

Hilfslieferungen von Wohlfahrtsorganisationen konnten nur in geringem Maß das Überleben im Lager ermöglichen bzw. erleichtern.
Heimatländer der Gefangenen in alphabetischer Reihenfolge; Gründe für die Internierungen [Bearbeiten]
Belgien [Bearbeiten]

Ab dem 10. Mai 1940, fünfzig Familienkonvois, in der Mehrheit Juden, von deutscher Seite nach der Besetzung Belgiens nach Frankreich deportiert.
Deutschland [Bearbeiten]

Unter den bereits erwähnten Unerwünschten befanden sich auch Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft, die wegen ihrer Herkunft oder politischen Haltung nach Frankreich geflohen waren und als ausländische Staatsangehörige einer feindlichen Nation angesehen wurden. Unter ihnen befand sich eine bedeutende Zahl deutscher Juden, die vor dem Naziregime geflohen waren, wie z.B. Hannah Arendt; sie war 1933 vor den Nazis nach Frankreich geflohen und wurde im Mai 1940 in Gurs interniert. (siehe auch Abschnitt Bekannte Häftlinge)
Denkmal für die Deportation badischer Juden: Eilig vergessener Mantel mit Judenstern auf der Wiwili-Brücke in Freiburg

Auf Betreiben des Gauleiters von Baden, des besonders fanatischen Nazis Robert Wagner, sowie des Gauleiters Josef Bürckel (Gau Saarpfalz) wurden im Rahmen der ersten planmässigen Deportation von Juden aus Deutschland am 22. Oktober 1940 6.538 Deutsche jüdischen Glaubens aus Baden[2], der Pfalz und dem Saarland von der Gestapo und französischen Behörden nach Gurs verschleppt.[3]. Ihre Eisenbahntransporte kamen aus Mannheim (2335), Heidelberg (1380), Karlsruhe (900), Baden-Baden (106), Freiburg und Konstanz. Allein im Lager verstarben von ihnen ca. 2.000; die meisten wurden per Eisenbahn über das Lager Camp de Rivesaltes in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.[2]

Einigen wenigen gelang ab 1941 über internationale Hilfsorganisationen und persönliche Kontakte die Emigration in sichere Drittländer.

Ein zentrales Mahnmal erinnert in Neckarzimmern für Baden an die Deportation der von hier stammenden Juden; in Mannheim am Hauptbahnhof, in Freiburg auf der Wiwili-Brücke über die Gleise des Hauptbahnhofes wurden weitere Mahnmale errichtet; außerdem erinnern in verschiedenen Städten Wegweiser, welche aktuellen Straßenschildern gleichen, an das Unrecht.[4]

Obwohl im unbesetzten Vichy-Südfrankreich des Marschalls Pétain gelegen, wurden 1942 und später internierte Menschen von hier nach Deutschland „ausgewiesen“. Viele der Ausgewiesenen wurden dann im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Hunderte verstarben bereits im Lager.

Anlässlich des 70. Jahrestages der Deportationen der südbadischen Juden fanden in vielen Gemeinden der betroffenen Regionen Gedenkveranstaltungen und Ausstellungen statt.[4][5]
Frankreich [Bearbeiten]

Hieraus befanden sich u. A. folgende Personengruppen im Lager:

Linke, militante Franzosen: (Gewerkschafter, Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten), die nach dem Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt als gefährlich angesehen wurden. Die Ersten dieser Gruppe wurden am 21. Juni 1940 eingeliefert. Die Mehrzahl unter ihnen wurde noch vor Ende des gleichen Jahres in andere Lager verlegt.

Pazifisten, die es ablehnten, in der Rüstungsindustrie zu arbeiten.

Repräsentanten der französischen extremen Rechten, die mit der Wehrmacht und der Nazi-Ideologie sympathisiert hatten.

Mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands vom 22. Juni 1940 zwischen Frankreich und Deutschland fiel die Region, in der sich das Lager befand, in die unbesetzte Zone, die vom Vichy-Regime kontrolliert wurde; das Lager wurde unter zivile Verwaltung gestellt.

Der von der Regierung Daladier eingesetzte Militärkommandant verbrannte vor dem Übergang der Autorität die Akten und ließ die spanischen republikanischen Internierten entkommen, die in der französischen Bevölkerung untertauchten. Andererseits bewirkte der Brand der Akten, dass eine große Zahl von ehemaligen Internierten nach dem Krieg große Schwierigkeiten hatten, Entschädigungen für ihre Internierung zu erhalten.

700 dieser Gefangenen wurden zwischen dem 21. August (Ankunftsdatum einer Inspektionskommission, die vom Dritten Reich entsandt war) und Oktober 1940 freigelassen. Sie kehrten aufgrund ihrer Nationalität oder ihrer Nähe zum Nazi-Regime zurück nach Deutschland.
Niederlande [Bearbeiten]

Das erste Kontingent aus den Niederlanden kam am 21. Mai 1940 in Gurs an, elf Tage nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande.
Spanien [Bearbeiten]

Die französische Verwaltung unterschied hier vier Gruppen von Gefangenen:

Basken bzw. Gudaris: baskische Nationalisten bzw. Angehörige der baskischen Armee (Eusko Gudarostea) während des Spanischen Bürgerkriegs (Gudari: baskisches Wort, das Soldat oder Krieger meint, von guda (Krieg) und der Nachsilbe -ari, als Berufsbezeichnung; die Mitglieder der aktuellen ETA bezeichnen sich ebenfalls als Gudaris.) Die meisten Gudaris konnten auf Grund der Nähe ihrer Heimat Unterstützung in Frankreich finden und schließlich entkommen.
Brigadisten: Soldaten der Internationalen Brigaden - aus ganz Europa (Russland, Deutschland, den baltischen Staaten, Österreich, der Tschechoslowakei etc.) Einigen gelang die Flucht, einige sind zur französischen Fremdenlegion gegangen.
Flieger / Bodenpersonal: Bodenpersonal der Luftwaffe der Spanischen Republik. Durch ihren Beruf als Mechaniker war es für sie relativ leicht, französische Arbeitgeber zu finden, sodass sie das Lager auf legalem Wege verlassen durften.
Spanier: Personen ohne verwandtschaftliche, politische oder persönliche Beziehungen in Frankreich, die keiner der übrigen Gruppen angehörten, zuvor in der Landwirtschaft oder anderen schlecht bezahlten Berufen gearbeitet hatten und die Frankreich als Last ansah. Sie wurden größtenteils über den Grenzübergang Irun zurückgeführt, von wo sie ins Camp de Miranda de Ebro verschleppt wurden.

Inhaftierte aus weiteren vom Dritten Reich besetzten Ländern [Bearbeiten]

kamen aus Österreich, der Tschechoslowakei, Italien oder Polen.
Lagerstatistiken [Bearbeiten]
Spanien
(5. April bis 31. August 1939) Basken 6.555
Brigadisten 6.808
Flieger 5.397
sonstige Spanier 5.760
Summe 24.520
Sonstige
(1. September 1939 bis 30 April 1940) Summe 2.820
Unerwünschte Personen
(1. Mai bis 24. Oktober 1940) Spanier 3.695
Deutsche und Österreicher 9.771
Franzosen 1.329
Summe 14.795
Internierte nach dem Anti-Juden-Gesetz (Vichy)
(25. Oktober 1940 bis 31. Oktober 1943) Deutsche aus Baden 6.538
Aus dem Lager St. Cyprien 3.870
Spanier 1.515
Sonstige 6.262
Summe 18.185
Zuletzt unter dem Vichy-Regime Internierte
(9. April 1944 bis 29. August 1944) Summe 229
Gefangene nach der Befreiung
(30. August 1944 bis 31. Dezember 1945) Deutsche Kriegsgefangene 310
Spanische Antifrankisten 1 475
Kollaborateure mit der deutschen Besatzung 1.585
Summe 3.370
Zusammenfassung Bis vor der Befreiung 60.559
Summe nach der Befreiung 3.370
Internierte Personen (1939-1945) 63.929
Bekannte Häftlinge [Bearbeiten]

Lou Albert-Lasard - Hannah Arendt - Marie Arning - Jean Améry - Ilse Bing – Georg Bredig - Eva Busch – Helga Cazas – Lily Ehrenfried - Lotte Eisner - Eugen Eppstein - Lisa Fittko - Manuel Garcia-Barrado - Johanna Geissmar - Alice Herz - Walter Hochmuth - Gertrud Isolani - Fritz Kahmann – Maria Leitner - Robert Liefmann – Max Lingner - Léo Maillet - Eva Mendelsson – Hanna Meyer-Moses - Alfred Mombert - Paul Niedermann - Peter Pringsheim - Josef Raab - Alexandra Ramm-Pfemfert - Charlotte Salomon - Greta Saur/Sauer - Ernst Scholz - Thea Sternheim - Luise Straus-Ernst - Elsbeth Weichmann – Karl Wilczynski – Konrad Wolff
Literatur [Bearbeiten]

Frauen aus Deutschland in der französischen Résistance. Reihe Arbeiterbewegung: Forschungen, Dokumente, Biografien, Hg. Ulla Plener. 2. korr. Aufl. Ed. Bodoni, Berlin 2006 ISBN 3-929390-80-9
Benito Bermejo & Sandra Checa: Libro Memorial. Españoles deportados a los campos nazis (1940–1945), 2006
Anja Clarenbach: Gertrud Isolani und Heinrich Eduard Jacob: Korrespondenz über "Stadt ohne Männer"; in: "Exil. Forschung, Erkenntnisse, Ergebnisse", Nr. 2, 14. Jg., Frankfurt 1994, S. 37-50 ISSN 0721-6742
Lisa Fittko: Mein Weg über die Pyrenäen. Erinnerungen 1940/41. dtv, München 1989 ISBN 3-423-62189-3
Gertrud Isolani: Stadt ohne Männer Tatsachen-Roman. Falken, Zürich 1945. Neuauflagen: Hamburg 1959, Basel 1979
Anonym: Die Stadt ohne Männer. Im Sammellager von 18.000 Frauen. in: Basler Nachrichten, 22. Juli 1940
Claude Laharie: Le camp de Gurs 1939-1945. Un aspect méconnu de l´histoire de Vichy Societé Atlantique d´Ímpression, Biarritz 1993 ISBN 2-84127-000-9 (Erstauflage: Pau 1985 mit etwas anderem UT)
Max Lingner: Gurs. Bericht und Aufruf. Zeichnungen aus einem französischen Internierungslager Dietz, Berlin 1982 ISBN 3-87682-757-4
Gabriele Mittag: Es gibt Verdammte nur in Gurs. Literatur, Kultur und Alltag in einem südfranzösischen Internierungslager. 1940-1942 Attempto, Tübingen 1996 ISBN 3-89308-233-6
Hanna Schramm Menschen in Gurs. Erinnerungen an ein französisches Internierungslager (1940 - 1941 Mit einem dok. Beitrag zur französischen Emigrantenpolitik (1933 - 1944) von Barbara Vormeier. Georg Heintz, Worms 1977 ISBN 3-921333-13-X (S. 363: Stand der Gefangenenzahlen am 21. August 1940)
Rolf Weinstock: Das wahre Gesicht Hitler-Deutschlands. Häftling Nr. 59000 erzählt von dem Schicksal der 10000 Juden aus Baden, aus der Pfalz und aus dem Saargebiet in den Höllen von Dachau, Gurs-Drancy, Auschwitz, Jawischkowitz, Buchenwald. Volksverlag, Singen 1948
Richard Zahlten: Dr. Johanna Geissmar. Von Mannheim nach Heidelberg und über den Schwarzwald durch Gurs nach Auschwitz-Birkenau. 1877-1942. Einer jüdischen Ärztin 60 Jahre danach zum Gedenken Hartung-Gorre, Konstanz 2001 ISBN 3-89649-661-1
Reinhard Bek: Gurs - ein Internierungslager. Südfrankreich 1939 - 1943. Aquarelle, Zeichnungen, Fotografien. Hg. Elsbeth Kasser-Stiftung. Schwabe, Basel 2009 ISBN 978-3-7965-2573-5
Peter Steinbach: Das Leiden – zu schwer und zu viel. Zur Bedeutung der Massendeportation südwestdeutscher Juden. In: Tribüne – Zeitschrift zum Verständnis des Judentums. 49. Jg. Heft 195. 3. Quartal 2010, S. 109 – 120.

Weblinks [Bearbeiten]

Commons: Camp de Gurs – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Die Deportation der pfälzischen Juden nach Gurs
VVN-BdA Kaiserslautern
Camp de Gurs (französisch)
Holocaust Encyclopedia (englisch)
Die französischen Durchgangslager Drancy und Gurs auf der Seite Deathcamps
Bilder der Gedenkstätte
elsbeth-kasser.ch, Sammlung Elsbeth Kasser, Ausstellungskatalog: GURS - ein Internierungslager - Südfrankreich 1939-1943 Aquarelle, Zeichnungen und Fotografien (24. Oktober 2010)
ehemalige-synagoge-kippenheim.de, Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim e.V., Mitglieder-Rundbrief 1/2008, S. 1: Erfolgreiche Studienreise für Multiplikatoren nach Gurs (30. Oktober 2010)
schule-bw.de, Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte am RP (Regierungspräsidium) Freiburg, D 9: Freiburger Juden: ausgegrenzt, ausgeraubt, ermordet - Deportationen nach Gurs (30. Oktober 2010)
Foto von jüdischen Frauen aus Deutschland im Lager Gurs
Deportation nach Gurs 1940 Ein Ausstellungsprojekt von Jugendlichen für Jugendliche mit Zeitzeugenbegegnungen

Einzelnachweise [Bearbeiten]

↑ Das größte Internierungslager Südfrankreichs
↑ a b c badische-zeitung.de, 23. Oktober 2010, Martina Faller: Kein Hass, nur noch Mitleid (23. Oktober 2010)
↑ Peter Steinbach: Das Leiden – zu schwer und zu viel. Zur Bedeutung der Massendeportation südwestdeutscher Juden. In: Tribüne – Zeitschrift zum Verständnis des Judentums. 49. Jg. Heft 195. 3. Quartal 2010, S. 109 – 120; Zeitung Der Sonntag im Markgräflerland, 24. Oktober 2010, S. 2, Aus der Region, Hans Christof Wagner: Reden gegen das Vergessen
↑ a b badische-zeitung.de, Lokales, Müllheim, 20. Oktober 2010, Volker Münch: Ein Fingerzeig der Jugend (23. Oktober 2010)
↑ museum-offenburg.de, Sammlung Elsbeth Kasser: GURS. Ein Internierungslager - Südfrankreich 1939-1943 - Aquarelle, Zeichnungen und Fotografien (24. Oktober 2010)