Groß-Rosen


Groß-Rosen Poland

Groß-Rosen. Ein vergessenes Konzentrationslager in Niederschlesien

Geschrieben von: Nina Theofel
http://zukunft-braucht-erinnerung.de/holocaust/konzentrationslager/584-g...

Die SS-Kantine (Vordergrund) und das Lagertor gehören zu den wenigen erhaltenen Gebäuden auf dem Gebiet des ehemaligen Konzentrationslagers Groß-Rosen. Heute befinden sich hier Ausstellungsräume.

Die SS-Kantine (Vordergrund) und das Lagertor gehören zu den wenigen erhaltenen Gebäuden auf dem Gebiet des ehemaligen Konzentrationslagers Groß-Rosen. Heute befinden sich hier Ausstellungsräume.
„Die Geschichte des Konzentrationslagers Groß-Rosen in Schlesien ist weder in der historischen Forschung noch in der deutschen Öffentlichkeit präsent, selbst der Name ist weithin unbekannt. Das entspricht nicht der Bedeutung, wie sie den meisten Konzentrations­lagern beigemessen wird“.[1] Dies schreibt die Autorin des einzigen umfassenden Werkes zum Konzentrationslager Groß-Rosen in der Einleitung ihres Buches. Das Lager Groß-Rosen war ein Ort der Inhaftierung und Zwangsarbeit, eine Hinrichtungsstätte, ein Umschlagsplatz für den Transport der KZ-Häftlinge von einem ins andere Lager und ein Ort des Massensterbens, besonders im Chaos der letzten Kriegsmonate. Es wird geschätzt, dass in Groß-Rosen und seinen Nebenlagern insgesamt 40.000 bis 45.000 Häftlinge ihr Leben verloren.[2]

Das ehemalige Lager Groß-Rosen befindet sich in Niederschlesien, 60 Kilometer von Breslau (Wrocław) entfernt, also in einem Gebiet, das damals zum Deutschen Reich und heute zu Polen gehört. Damit war es eines der größten im „Altreich“ gelegenen Konzentrationslager. Die Lage in Niederschlesien mag eine Erklärung für den geringen Bekanntheitsgrad Groß-Rosens sein. Heute jenseits der deutschen Grenzen gelegen, spielte der Raum eine geringe Rolle in der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus. Thematisiert wurde Schlesien eher im Zusammenhang mit Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung.

Groß-Rosen entstand 1940 zunächst als Arbeitslager und war Teil des Nebenlagersystems von Sachsenhausen. Das Lager wurde auf dem nahe des Ortes Groß-Rosen (Rogoźnica) gelegenen „Kuhberg“ errichtet, direkt neben einem bestehenden Steinbruchbetrieb, in welchem die Häft­linge eingesetzt werden sollten. Die Gründung fiel in eine Phase, in der oft wirtschaftliche Aspekte bei der Ortswahl für Konzentrationslager ausschlaggebend waren. Der Groß-Rosener Steinbruch war im Mai 1940 von der „Deutschen Erd- und Steinwerke GmbH“ (DESt), eines von der SS gegründeten Wirtschaftsunternehmens, aufgekauft worden. Die DESt fungierte insbesondere auch als Lieferant für die monumentalen Bauprojekte Hitlers. Der Groß-Rosener Steinbruch sollte hierfür schwarz-weißen schlesischen Granit liefern.

Ein Modell zeigt die frühere Gestalt des Lagers. Außerhalb des Lagertores (Vordergrund) waren die Wachmannschaft und die Kommandantur untergebracht. In der Mitte befindet sich das Stammlager, dahinter das 1944 entstandene sogenannte „Ausschwitz-Lager“.

Ein Modell zeigt die frühere Gestalt des Lagers. Außerhalb des Lagertores (Vordergrund) waren die Wachmannschaft und die Kommandantur untergebracht. In der Mitte befindet sich das Stammlager, dahinter das 1944 entstandene sogenannte „Ausschwitz-Lager“.
Zunächst nur provisorisch aus zwei Häftlingsbaracken und Umzäunung bestehend, wurde das Lager in mehreren Etappen ausgebaut und vergrößert. 1941, ein knappes Jahr nach der Gründung, erhielt Groß-Rosen den Status eines selbstständigen Konzentrationslagers. Bei den Bauarbeiten wurden Häftlinge in lagereigenen Bautrupps, sowie zivile Arbeiter verschiedener Firmen beschäftigt. 1942 begann der Bau eines Krematoriums. 1944 wurde das sogenannte Kommando „Wetterstelle“ von Dachau nach Groß-Rosen verlegt. Hinter dieser Bezeichnung verbarg sich eine Forschungsstelle für Hochfrequenztechnik, in der Häftlinge mit entsprechenden Fachkenntnissen arbeiten mussten. Die Beschäftigten der „Wetterstelle“ lebten und arbeiteten separiert von den übrigen Gefangenen und verhältnismäßig privilegiert.

Das Netz der Nebenlager Groß-Rosens entstand erst spät. Viele der Lager wurden erst 1944 errichtet, so auch der Lagerkomplex „Riese“ im Eulengebirge mit zwölf Unterlagern. Hier war der Bau von unterirdischen Fertigungsstätten und einem neuen Führerhauptquartier geplant. Die Außenlager Groß-Rosens, unter denen viele Frauenlager waren, befanden sich größtenteils in Schlesien und dem „Sudetengau“. In diesen vor Luftangriffen noch relativ sicheren Gebieten wurden die Häftlinge meist in der Rüstungsindustrie eingesetzt. Von den Nebenlagern existieren heute wenige sichtbare Spuren, da es sich oftmals nicht um Lager im eigentlichen Sinne handelte, die Inhaftierten stattdessen beispielsweise in stillgelegten Fabrikhallen oder ähnlichem untergebracht waren. Die Existenz mancher dieser Nebenlager lässt sich nicht zweifelsfrei nachweisen, ihre Gesamtzahl wird um die 100 geschätzt. Das wohl bekannteste Außenlager Groß-Rosens ist Brünnlitz. Hier gelang es dem durch den Film Steven Spielbergs bekannt gewordenen Unternehmer Oskar Schindler die von ihm geschützten Juden in Sicherheit zu bringen.

Die Inhaftierten des Lagers Groß-Rosen waren politisch und rassisch Verfolgte aus dem Deutschen Reich und den besetzten Gebieten. Oftmals herrschte Willkür bei der Einweisungspraxis. Ausbeutung der Arbeitskraft, Ausschaltung potentieller Gegner und als minderwertig geltender Personen waren die Hintergründe. Die überwiegende Mehrheit der in Groß-Rosen Inhaftierten stammte aus Polen und der Sowjetunion, doch auch zahlreiche andere Nationalitäten waren darunter. Eine besondere Häftlingsgruppe stellten sowjetische Kriegsgefangene dar. Diese wurden ab 1941 nach Groß-Rosen gebracht, um sie dort nach kurzer Zeit gezielt durch Giftinjektionen oder Erschießung zu töten. An den Hinrichtungen Beteiligte erhielten ausdrücklich für diese Aufgabe eine besondere geldliche Zuwendung. Im Lager erfolgte eine Kategorisierung der Häftlinge, welche die nationalsozialistische Welt­anschauung über Höher- und Minderwertigkeit der Menschen spiegelte. Ganz unten wurden die Juden eingestuft. Sie waren isoliert im „Judenblock“ untergebracht, mussten mehr und härter, als die übrigen Häftlinge arbeiten und litten besonders häufig unter Schikanen durch das Lagerpersonal. Insgesamt hatten Juden die geringsten Überlebenschancen im Lager.

Wirtschaftliche Ausbeutung und Ausschaltung vermeintlicher „Volksschädlinge“ – diese beiden Funktionen, die auch das Lager Groß-Rosen erfüllen sollte, bargen einen inneren Widerspruch. Zum einen sollte die Arbeitskraft der Häftlinge unter ökonomischen Gesichts­punkten effektiv ausgenutzt werden. Mehrmals beschwerte sich daher die Lagerführung, dass nicht genügend „frische“ Häftlinge für die schwere Arbeit zur Verfügung standen. Zum anderen führten die Arbeits- und Lebensbedingungen im Lager häufig schnell zur völligen Erschöpfung und zum Tod der Insassen. Der Einsatz im Steinbruch galt unter Häftlingen als eines der härtesten Arbeitskommandos im KZ-System überhaupt.

Die größte Ausbauphase des Lagers Groß-Rosen fiel in das letzte Kriegsjahr, gleichzeitig stieg die Anzahl der Häftlinge ab dem Frühjahr 1944 sprunghaft an. Es begann der Aufbau eines neuen Lagerteils mit 30 Baracken, das sogenannte „Auschwitz-Lager“, das aber nur etwa zur Hälfte fertig gestellt werden konnte. Hintergrund für den Ausbau war der Kriegs­verlauf. Die von Osten vorrückende Front hatte die schrittweise Räumung der weiter östlich gelegenen Lager und Gefängnissen zur Folge, wobei Groß-Rosen zu einem wichtigen Knotenpunkt wurde. Bald täglich erreichten neue Häftlinge Groß-Rosen per Zug oder per Fußmarsch. Die Gefangenen wurden in Nebenlager weitergeleitet oder im neuen Lagerteil notdürftig untergebracht. Sie wurden nur noch lückenhaft registriert. Auch die Niederschlagung des Warschauer Aufstands gegen die deutschen Besatzer brachte neue Inhaftierte ins Lager. Gegen Kriegsende erfuhr Groß-Rosen also einen gewaltigen Bedeutungszuwachs. Anfang des Jahres 1945 befanden sich etwa zehn Prozent sämtlicher KZ-Insassen in Groß-Rosen oder seinen Außenlagern.

Für die Häftlinge in den Konzentrationslagern bedeutete das nahende Kriegsende nicht nur Hoffnung auf baldige Befreiung, sondern zunächst eine „lebensbedrohliche Chaotisierung der Lagerverhältnisse“ (Karin Orth). Die zunehmende Überfüllung, eine gleichzeitige Kürzung der Lebensmittelrationen und der Ausbruch von Krankheiten führten auch in Groß-Rosen zu noch extremeren Haftbedingungen. Im neuen Lagerteil bildeten sich Sterbezonen aus, in welchen die entkräfteten und kranken Häftlinge ihrem Schicksal überlassen wurden und durch Hunger, Kälte oder Seuchen den Tod fanden. Im alten Lagerteil dagegen wurde der aus Appellen und Arbeit bestehende Lageralltag länger aufrechterhalten. Im Krankenbau kam es verstärkt zu Selektionen und zur Tötung durch Giftinjektionen.

Schließlich wurde auch Groß-Rosen ab Februar 1945 etappenweise evakuiert. Die Insassen sollten in Lager im Reichsinneren gebracht werden, wobei Buchenwald, Dora-Mittelbau und Flossenbürg als Ziele vorgesehen waren. In Schlesien bewegten sich gegen Kriegsende also nicht nur zahlreiche Kolonnen flüchtender Zivilisten Richtung Westen, parallel fanden Bahntransporte und Todesmärsche der KZ-Häftlinge ins Reichsinnere statt. Viele der erschöpften Häftlinge kamen dabei durch die winterliche Kälte oder durch Entkräftung um oder wurden „auf der Flucht“ erschossen. Auf dem Lagergelände blieben einige SS-Männer mit einem Räumungskommando zurück, welches die Spuren der Verbrechen beseitigen sollte. Es wurden Akten vernichtet, Leichen verscharrt und Baracken zerstört, wobei versteckte Häftlinge entdeckt und hingerichtet wurden. Als die Rote Armee das Lager am 13. Februar 1945 erreichte, fand sie es leer vor. Von den Nebenlagern konnte sie 36 vor der Räumung befreien.

Zahlreiche Personen durchliefen das Lager Groß-Rosen als Personal. In der Wachmannschaft gab es häufige Wechsel gab, wobei ab 1944 auch ältere Wehrmachtangehörige eingesetzt wurde. Wieviel hat aber die Bevölkerung von den Vorgängen in den Konzentrationslagern gewusst? Am Beispiel Groß-Rosen lässt sich zeigen, dass es durchaus einige Berührungs­punkte der Bevölkerung mit der Lagerwelt gab, unter anderem durch die Arbeit im Stein­bruch. Als das Konzentrationslager in unmittelbarer Nachbarschaft errichtet wurde, waren hier noch zivile Arbeiter beschäftigt, sogar noch, als schon die ersten Häftlinge eingesetzt wurden. Im Groß-Rosener Steinbruchbetrieb erfolgte außerdem die Ausbildung ziviler Lehrlinge, welche in engem Kontakt mit den Häftlingen arbeiteten und direkt neben dem Lagergelände untergebracht waren. Um Verwechselungen mit Häftlingen zu vermeiden trugen die Lehrlinge bei der Arbeit Armbinden. Für die Ausbildungsmöglichkeit im Stein­bruchbetrieb wurde bei Besichtigungen geworben. Auch dies zeigt, dass nicht absolute Geheimhaltung herrschte.

Standesamtliche Aufgaben wurden erst ab Oktober 1942 im Lager selbst wahrgenommen, so dass bis dahin ein Beamter im Dorf Groß-Rosen für das Eintragen der zahlreichen Todesfälle in Sterbebücher zuständig war. Viele Tote des Lagers wurden in der Anfangszeit auf dem Gemeindefriedhof in Liegnitz (Legnica) verbrannt, bevor hierfür ein fahrbarer Verbrennungs­ofen und später das im Lager errichtete Krematorium zur Verfügung standen. Die Existenz des Konzentrationslagers, das nur einige Minuten zu Fuß von der Ortschaft entfernt war, kann den Einwohnern nicht entgangen sein. Von Anhöhen aus ließ sich das Gelände überblicken. Die SS-Männer der Wachtmannschaft waren außerdem im Dorfleben präsent. Zu Kriegsende machten schließlich Todesmärsche das Elend der Häftlinge auf den Straßen und in den Dörfern sichtbar.

Was mit dem Gelände des ehemaligen Lagers nach 1945 geschah, ist bislang unerforscht. Heute sind noch Umzäunungen, Fundamente der Baracken des Stammlagers, das Lagertor und die ehemalige SS-Kantine sichtbar. In letzterer befinden sich heute Ausstellungsräume. Der 1944 entstandene hintere Lagerteil dagegen ist völlig überwachsen. An der Stelle des Krematoriums steht heute der fahrbare Verbrennungsofen. Daneben erinnern Gedenktafeln vieler Staaten an ihre in Groß-Rosen umgekommenen Bürger.

Autorin: Nina Theofel Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann.

Literatur

Cybulski, Bogdan: Aussenlager des KL Groß-Rosen im Eulengebirge, Wałbrzych 1992.

Groß-Rosen, in: Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, hrsg. v. I. Gutman u.a., Berlin u.a. 1993 u.a.

Konieczny, Alfred: Das Kommando "Wetterstelle" im KL Groß-Rosen, Wałbrzych 1994.

Ders., Das Konzentrationslager Groß-Rosen, in: Dachauer Hefte 5 (1989), S. 15–27.

Ders., Das KZ Groß-Rosen in Niederschlesien, in: Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Entwicklung und Struktur, Bd. 1, hrsg. v. U. Herbert, K. Orth, C. Dieckmann, Göttingen 1998, S. 309–326.

Orth, Karin: Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Eine politische Organisationsgeschichte, Hamburg 1999.

Sprenger, Isabell, „Erbarmungsloses Schweigen“. Bevölkerung und Konzentrationslager in Groß-Rosen, in: Die Alte Stadt 20 (1993), S. 377–380.

Dies., Das KZ Groß-Rosen in der letzten Kriegsphase, in: Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Entwicklung und Struktur, Bd. 1, hrsg. v. U. Herbert, K. Orth, C. Dieckmann, Göttingen 1998, S. 1113–1127.

Dies., Groß-Rosen. Ein Konzentrationslager in Schlesien, Köln 1996.

Links

Link der Gedenkstätte http://www.gross-rosen.pl/

Anmerkungen

[1] Sprenger, Isabell, Groß-Rosen. Ein Konzentrationslager in Schlesien, Köln 1996, S. 3.

[2] Zur Ermittlung der Gefangenen- und Opferzahlen vgl. ausführlich Sprenger, Groß-Rosen, S. 165–171 und S. 223–226.