Schießstand Burgholz - Wuppertal

Ort

Burgholz Germany

Auf dem Burggrafenberg im Staatsforst Burgholz wurden Ende Februar/Anfang März 1945 nahe dem Schießstand der Wuppertaler Polizei unter Beihilfe der Wuppertaler Kriminalpolizei sechs Frauen und 24 Männer von der Gestapo erschossen. Es handelte sich um ZwangsarbeiterInnen aus der UdSSR. Die Namen der Erschossenen blieben unbekannt, mit Ausnahme des Namens Helena Matrosova, einer ukrainischen Lehrerin.

Auszug aus Liselotte Bhatia: Mein Burgholz Case, in: Ulla Albel, Lieselotte Bhatia, Dieter Nelles und Stephan Stracke, Wir haben dort unsere besten Jahre verbracht, Bocholt, Breedevoort 2001. Achterland Verlagscompagnie)

Am Mittwoch, den 24. Januar 1945 kam es am Bahnhof Wuppertal - Wichlinghausen in den Abendstunden zu einer Plünderung durch Zwangsarbeiter. Dabei wurde der Eisenbahner Moellberg und der Kriminalbeamte Müller erschossen, sowie einer der Zwangsarbeiter. Zwei Zwangsarbeiter wurden angeschossen. Es wurden mehr als 30 ZwangsarbeiterInnen, darunter sechs Frauen, festgenommen, und zwar durch die Kripobeamten Otto Albermann, Robert Jansa und Hans Poensgen.

In den darauffolgenden Wochen wurden weitere Festnahmen durchgeführt. Angeblich waren unter den Häftlingen auch Mitglieder der Fortasraki-Bande. Im Lauf der Ermittlungen wurden einige Zwangsarbeiter wieder entlassen. Die verbleibenden Häftlinge hatten Arbeitsausweise des Arbeitsamtes bei sich. Alle diese Häftlinge wurden im Gefängnisbuch mit „W“ für Widerstand geführt. Die beiden angeschossenen Häftlinge wurden von Dr. Brestowski, selber Häftling im Gefängnis des Polizeipräsidiums, ärztlich versorgt. Die Verhöre wurden in der Hauptsache durch die Kripobeamten Otto Albermann und Wilhelm Orsin durchgeführt. Der Arzt Dr. Rolf Brestowski und eine weitere Insassin des Gefängnisses, Edith Enz, waren beide wegen „Wehrkraftzersetzung“ verurteilt. Edith Enz, Dr. Brestowski und auch die Aufseherin Gertrud Nitze sagten übereinstimmend aus, dass die ZwangsarbeiterInnen bei den Verhören misshandelt und gefoltert wurden. Den russischen Frauen wurde von dem Kripobeamten Orsin Papier zwischen die Zehen gesteckt, das dann angezündet wurde. Der Gefängnisaufseherin war es verboten, die Verbrennungen und andere Wunden der Gefolterten zu versorgen. Sie betreute Edith Enz mit dieser Aufgabe und gab ihr zumindest Verbandszeug und Puder. Edith Enz hatte zunächst wenig Kontakt mit den Frauen, doch nachdem sie ihnen den Grund für ihre eigene Inhaftierung erzählte, fassten die Frauen Vertrauen und berichteten unter Tränen von den Verhören. Unter den 6 Russinnen war Helena Matrosowa, eine Lehrerin aus der Ukraine. Edith Enz schilderte diese
Frau als feinen Menschen in den Umständen entsprechender noch immer sauberer und
guter Kleidung. Sie berichtete weiter, dass sie die Russinnen einmal in der Woche zum Baden begleitete und dabei sah, daß ihre Körper voller blauer Flecken waren. Die Russinnen sagten ihr, sie würden bei den Verhören geschlagen. „Aufseher Polizeiwachtmeister Krause war im Gefängnis verrufen als brutal. Ich sah sehr oft, dass er die Häftlinge mit Gummiknüppel und Fußtritten bedachte. Einmal sah ich, dass er in die Zelle eines Russen lief und hörte dann das Aufschlagen des Gummiknüppels und das Schreien des Russen. Er tat dies, weil der Russe sich mit den Frauen durch das Fenster unterhalten hatte. Krause sagte nachher: ‚Dem habe ich es ordentlich gegeben’.“ Sie berichtete weiter: „Die gefangenen Russen hatten nicht alle Platz in den Zellen. Sie mussten in den Gängen und im Eingangsbereich hausen. Für ihre Notdurft standen Eimer bereit, die sie dann selber leeren mussten.“
Dies wurde in der Aussage von Dr. Brestowski bestätigt. Im Behandlungszimmer des Gefängnisses behandelte er die Häftlinge und sagte aus: „Ich habe folgende Verwundungen festgestellt: mehrere Platzwunden auf dem Kopf, der ganze Rücken bedeckt mit Striemen
und einigen Platzwunden. Ebenso das Gesäß und die Oberschenkel. Aufgrund meiner medizinischen Kenntnisse kann ich sagen, dass diese Wunden nur durch Schläge mit einem Gummiknüppel verursacht worden sein können. In mehreren Fällen habe ich Platzwunden
auf den Köpfen der Russinnen nach dem Verhör festgestellt. Ich kann mich nicht mehr an die Namen der bestimmten Beamten, die die Gefangenen zu den Verhören abholten und zurückbrachten, erinnern, glaube aber dass ich sie wiedererkennen würde. Der Gefängnisaufseher Krause hat die Gefangenen immer in sehr rabiater Weise behandelt. Ich habe selbst gesehen, wie er einen dieser Russen mit einem Fußtritt bearbeitet hat. Er jagte den Russen in seine Zelle und stieß dann mit dem Fuß auf ihn.“

Etwa Anfang Februar 1945 bekommt der Gestapobeamte Lorenz Waldorf von Kriminalrat Hufenstuhl den Auftrag, im Burgholz mit Hilfe von Gefangenen ein Loch von 12 x 2 m Länge und Breite und 2 m Tiefe auszuheben. Mit dem Schießstandwärter Hagemeyer wählt er eine Stelle in der Nähe des Schießstandes auf einer Lichtung aus. Nach 14 Tagen meldet er seiner Dienststelle die Fertigstellung der Ausschachtungsarbeiten. Nach einigermaßen übereinstimmenden Aussagen der an der Exekution beteiligten Kripo- und Gestapobeamten wurde dann die Hinrichtung der Russen für Ende Februar / Anfang März festgelegt. Das wäre zwischen Montag, dem 26.2. und Freitag, dem 2. März oder Montag, dem 5. März und Freitag dem 9. März gewesen.

In diesen Tagen fand im Polizeipräsidium eine Konferenz statt, an der Kriminalrat Hufenstuhl, der Polizeipräsident Krahne und der Kriminalobersekretär (und Gestapobeamte) Wilhelm Beine, sowie noch weitere Polizeiangehörige zugegen waren. Es wurde beraten, wo man die 30 Russen erschießen könnte, und es wurde beschlossen, dass der Schießstand im Burgholz der richtige Platz sei. Hufenstuhl befahl dann die Exekution für die nächsten Tage. Bei dieser Besprechung war auch der Gestapobeamte Koslowski zugegen. Die Russen wurden nicht von einem ordentlichen Gericht abgeurteilt. Hufenstuhl ordnete an, dass alle 15 Gestapobeamte sich an der Erschießung beteiligen sollten. Außerdem wurden 11 Kripobeamte zur Bewachung eingeteilt. Darunter auch mein Vater, Wilhelm Ober.
Der Kriminalsekretär Peter Diedrich ging durchs Treppenhaus des Präsidiums und hörte aus der Unterhaltung einiger Kripobeamten, dass am nächsten Tag die russische Einbrecherbande erschossen werden sollte. Diedrich ging zu Kriminaldirektor Baumann und sagte: „Ich bin morgen früh zur Kriminalwache bestellt und habe gehört, dass diese russische Einbrecherband erschossen werden soll.“ Baumann schaute ihn ganz erstaunt an und fragte, wer ihm das gesagt habe. Diedrich erzählte Baumann von dem mitgehörten Gespräch, worauf dieser antwortete, dass die Kriminalpolizei das Gelände nur absperren müsse. Diedrich sagte, dass er am nächsten Morgen nicht erscheinen würde. Als Kripobeamter würde er sich nicht an solchen Sachen beteiligen. Nach einer erregten Diskussion verließ Diedrich das Zimmer. Dann ging er zu Baumanns Stellvertreter, Bernhard Abstoß, der ihm von Baumann ausrichtete, dass er mitmachen müsste. Diedrich ging nochmals zu Baumann, der ihm sagte: „Ich habe mir die Sache überlegt, sie müssen mitmachen.“
Darauf entgegnete Diedrich: „Quälen sie mich nicht, Herr Direktor, sie kennen mich und wissen, dass ich meine Pflicht erfülle. Aber morgen früh bin ich nicht dabei.“ Daraufhin sagte Baumann: „Bleiben Sie weg.“
Diese Unterhaltung zeigt deutlich, dass der sogenannte Befehlsnotstand, auf den sich später bei den Ermittlungen und in dem Prozeß viele der Angeklagten beriefen, nicht bestand. Zu der Exekution erschienen an dem gesagten Morgen etwa gegen 5 Uhr die Gestapobeamten:
Wilhelm Beine, Walter Brüggemann, Walter Dürholt, Alfred Kessler, Lowinsky, Georg Karl Manfeld, Albert Michel, Josef Peter Niessen, Arthur Peters, Werner Pohlmann, Poleschke, Fritz Rode, Schenkelmeier, Schönborn, Lorenz Waldorf und die Kriminalbeamten: Otto Albermann,Kurt Engemann, Gustav Heinenberg, Otto Homberger, Wilhelm Klos, Heinrich Meister, Paul Neuhaus, Wilhelm Ober, Karl Wilhelm Orsin, Ernst Padberg, Hans Poensgen.

Ein paar Tage zuvor hatte Albermann zu Edith Enz gesagt: „Die werden wir bald los.“ Damit hatte er zweifellos die russischen Häftlinge gemeint. Nun war dieser Tag gekommen. Edith
Enz musste mit einer Gefängniswärterin die Russinnen zum Abtransport vorbereiten. Die sechs russischen Frauen durften, ungeachtet der kalten Jahreszeit, nur ein Kleid und einen Schlüpfer anziehen, keine Strümpfe, keine Schuhe.
Sie und die 24 russischen männlichen Häftlinge wurden je zu zweit mit Handschellen aneinander gefesselt und durch das Treppenhaus in den Gefängnishof getrieben. Edith Enz hörte sie furchtbar schreien. Einer der Russen versuchte, sich über das Treppengeländer in den Tod zu stürzen,wurde aber von den Wärtern daran gehindert. Edith Enz ging dann in den Waschraum. Von hier konnte sie den Abtransport auf dem Gefängnishof sehen. Die Gefangenen wurden in den wartenden Bus geladen. Unter den Beamten erkannte sie nur Peters und Hufenstuhl. Beine hat in seiner eidesstattlichen Erklärung dagegen behauptet, dass Hufenstuhl nicht erschienen war und ausrichten ließ, er würde später nachkommen. Diese Tatsache habe dazu geführt, dass er,Beine, das Kommando stellvertretend für Hufenstuhl übernehmen musste.
Fast alle der an dieser Aktion beteiligten Kriminalbeamten sagten in ihren eidesstattlichen Erklärungen, dass sie bis zur Ankunft im Burgholz nicht wussten, dass eine Exekution
bevorstand. Lediglich Albermann sagte aus: „Es war allgemein im Polizeipräsidium bekannt, dass diese Russen erschossen werden sollten.“ Er und Orsin meldeten sich freiwillig zu dem Kommando: „Der Grund warum ich freiwillig zu der Erschießung hingegangen bin, ist folgender: Als unerfahrener Kriminalangestellter wollte ich alles bei der Polizei lernen. Da ich glaubte, dass es sich um eine gesetzmäßige Exekution handelte, wollte ich sehen, wie eine Erschießung vor sich geht.“
Etwa gegen sechs Uhr wurden die gefesselten Häftlinge in den Bus geladen. An den Fenstern wurden die Vorhänge zugezogen und Beine hatte vor dem Einsteigen der Beamten angeordnet, keiner habe ein Wort zu sprechen. Trotz dieser Anweisung unterhielten sich einige der Kripobeamten, um näheres über die Art ihres Einsatzes zu erfahren. Der Bus fuhr zum Burgholz und hielt am Tor zum Schießstand an. Beine wartete noch ca. 10 – 15 Minuten, einmal weil es noch immer dunkel war und weil er auch noch dachte, dass Hufenstuhl kommen würde.
Hufenstuhl erschien nicht zu dieser Exekution. Beine startete dann die Exekution mit den Worten: „Wir werden anfangen. Es kommen jedes Mal zwei Mann von uns mit.“ Zuerst wurden die sechs Russinnen an das ausgehobene Massengrab geführt. Dort mussten sie niederknien und wurden von Beine und Poleschke durch Genickschuß getötet. Lowinsky, Waldorf waren auch am Grab, und Peters hatte die Aufgabe, den Getöteten die Handschellen abzunehmen und die Leichen in die Grube zu werfen. Peters und Lowinsky mussten einige Male in die Grube steigen und dort den Leichen die Handschellen abnehmen, da diese durch die Schüsse vornüber in die Grube fielen. Nachdem die Russinnen erschossen worden waren, wurden die 24 Russen in kleineren Gruppen von unterschiedlichen Kripobeamten aus dem Bus geholt und zum Grab gebracht. Auf halbem Weg wurden die Beamten von anderen abgelöst. Die weitere Exekution wurde durch die Gestapobeamten zu Ende gebracht. Es war kein Arzt dabei, der den Tod hätte bestätigen können, so wie es eigentlich den Vorschriften entsprochen hätte.
Peters erklärte später, dass Klos mit einer Maschinenpistole auf eine Gruppe von Russen geschossen habe, worüber er, Peters, sich bei Beine beschwerte, da er dieses als unmenschlich betrachtete: Als eine der letzten Gruppen zum Grab geführt wurden, hörte ich wie Albermann zu Orsin sagte, „hier käme ein Russe, den er persönlich erschießen wollte, da er ihm viel Schwierigkeiten bei der Vernehmung gemacht hatte. Albermann folgte dann dieser Gruppe, und ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass er dann auch auf diesen fraglichen Russen geschossen hat. Ob Orsin auch mitgegangen ist, kann ich nicht sagen.“ Albermann schilderte den Vorgang folgendermaßen: „Bei der 4. oder 5. Gruppe bin ich mit Orsin aus Neugierde mitgegangen, in einem Abstand von etwa 10 m hinter der Gruppe. Wir gingen durch eine Lichtung, und als die Russen am Grabe ankamen, stand ich etwa 10 – 15 m vor dem Grab. Ich habe genau gesehen, wie Peters seine Pistole hob und einem der Russen einen Genickschuß gab. Der Russe fiel vorne herüber, und in dem Moment habe ich mich herumgedreht, weil ich das nicht sehen mochte. Als ich mich gerade abgewendet hatte, fielen weitere Schüsse. Direkt neben Peters stand Waldorf und andere Beamte, ich weiß aber nicht, wer diese letzteren Schüsse abgab. Ich ging dann durch den Wald zurück zum Autobus, wo ich bis zum Schluß verblieb, währen Orsin im Wald verblieb…Wenn jemand geäußert hat, dass er einen Russen selbst erschießen wollte, weil dieser beim Verhör viel Schwierigkeiten gemacht hat, so kann das nur Orsin gewesen sein. Orsin erzählte mir auf der Rückfahrt im Autobus, dass er den dicken Russen – der Grischa oder so ähnlich hieß, selbst erschossen hatte.“
Orsin gab folgende Erklärung ab: „Als die 5. Gruppe gebracht wurde, übernahm dich sie mit einem anderen Beamten, dessen Namen ich nicht erinnere, auf halbem Wege und brachte sie zum Massengrab. Die Russen mussten vor dem Grab knien, und es wurde ihnen von hinten ins Genick geschossen. Meine Gruppe wurde von dem Gestapobeamten Poleschke erschossen. Ich schoß auf einen Russen, aber kurz vorher hatte Poleschke schon mit der Maschinenpistole auf ihn geschossen und ich bin der Ansicht, dass der Russe nicht von mir getroffen worden ist.“Außerdem gab er noch diese Erklärung ab: „Ich streite ab, dass ich jemals einen Russen oder eine Russin während eines Verhörs oder anderweits misshandelt habe. Ich habe nie jemand Papier zwischen die Zehen gesteckt und es angezündet.“
Der Kriminalbeamte Poensgen machte in seiner Erklärung einen besonders ahnungslosen Eindruck: „Ende Februar 1945 wurde ich ins Büro von Kriminaldirektor Baumann bestellt, der mir ungefähr folgendes sagte: Ich wurde soeben von Düsseldorf vom Inspekteur angerufen, und erhielt die Weisung zu einer Transportbegleitung der Gestapo 10 Männer zu stellen. Er gab mir dann einen Zettel, auf dem 10 Namen aufgeschrieben waren: Ich selber, Padberg, Neuhaus, Klos, Nees,Diedrich, Hornberger, Meister, Engemann und Ober. Diedrich und Nees sind nicht erschienen. Orsin und Albermann kamen mit am nächsten Tag ohne dass sie dazu aufgefordert waren. Im Hausflur traf ich den Gestapo Geschäftsführer Koslowski, der mich auf Beine verwies. Ich ging zu Beine in sein Dienstzimmer. Beine nahm eine Mappe aus seinem Schreibtisch, die rot umrandet war und den Aufdruck ‚Geheime Reichssache’ hatte und sagte stotternd ohne die Mappe aufzumachen, sie brauchen nicht zu wissen, was es ist. Ich erschien am nächsten Morgen um 5:30 Uhr auf der Wache. Um diese Zeit kam Beine mit 12 – 15 Mann von der Gestapo. Nach meiner Ansicht hatte Beine das Kommando, welches ich aus folgenden Tatsachen schließe: 1) Am Tage vor dem Einsatz verwies mich Koslowski an Beine bezüglich Ort und Zeit des Antretens der Kriminalbeamten. 2) An dem fraglichen Morgen kam Beine mit den Gestapobeamten zu uns wartenden Kripobeamten und sagte: ‚Da können wir rüber gehen’, und ging mit uns zum Polizeigefängnishof. 3) Beine gab während des ganzen Vorganges Anweisungen – z.B. ’Es hat keiner ein Wort zu sprechen.’ Zu diesem Zeitpunkt war ich noch der Ansicht, dass es sich um einen Transport handelt. Wir fuhren dann los. Ich wusste nicht wohin wir fahren bis wir im Wald hielten. Als der Autobus hielt und einige Männer ausstiegen, sagte Beine: ‚Es ist noch zu früh und zu dunkel.’ Etwas später sagte Beine: ‚Wir werden anfangen.’ Ich stand in der Mitte des Wagens mit dem Kripobeamten Ober und konnte nicht wahrnehmen, was draußen vor sich ging. Zuerst wurden die Russinnen aus dem Autobus geholt. Eine kurze Zeit danach fielen Schüsse. Dann wurde mir klar, was sich abspielte.“
Auch fast alle anderen Kripobeamten beteuerten die gleiche Unwissenheit. Meine Mutter zitierte immer, wenn sie über den Prozeß in Hamburg sprach, ein Gesetz aus den letzten Kriegsmonaten: „Wer raubt, mordet oder plündert, wird standrechtlich erschossen.“ Sollten alle diese Kripobeamten wirklich keinen Zusammenhang zwischen der Behandlung
der Russen, den Weisungen der Vorgesetzten und diesem Transport gesehen haben? Da die Ermordung der Russen nicht eine Einzelaktion war, sondern ähnliche Exekutionen in ganz Deutschland stattfanden, wie man heute weiß, ist die Ahnungslosigkeit der Täter eine Schutzbehauptung gewesen.
Die Exekution wurde in der vorher beschriebenen Weise zu Ende geführt. Dazu noch einmal Poensgens Aussage: „Ich sah dann, wie der Kripobeamte Klos eine Maschinenpistole ins Grab abfeuerte, und zwar geschah das wie folgt: Beine sagte dann, dass das Grab jetzt zugeschaufelt werden sollte., worauf ich zu ihm hinging und um Erlaubnis bat, wegzugehen, da ich um 10 Uhr Gerichtstermin hatte. Währenddessen hörte ich, dass Klos sagte: ‚Da bewegt sich noch jemand, ihr habt noch nicht mal richtig geschossen.’ Dabei nahm der eine Maschinenpistole, die an einem Baum gelehnt stand und schoß ins Grab.“
Alle Gestapobeamten erklären später, nicht selber geschossen zu haben, gaben aber an, dass sie jeweils andere hatten schießen sehen. Beine erklärte hierzu: „Hufenstuhl befahl, dass alle Beamten sich am Erschießen beteiligen sollten, da die Gestapobeamten schon gegen die vorher bekannte Exekution Unwillen gezeigt hatten. Ich habe persönlich nicht die Beamten bestimmt, die nächsten Morgen früh zur Dienststelle kommen mussten. Dieses muß durch Koslowski gemacht worden sein.“

Nach ca. 45 Minuten war die Exekution beendet und Beine ordnete an, dass alle Beteiligten sich am Zuschaufeln des Grabes beteiligen sollten. Die Leichen wurden mit Erde bedeckt und der Rest des offenen Grabes wurde mit einer Holzwand abgesteckt. Peters sammelte die Handschellen ein und lieferte sie im Polizeipräsidium wieder ab. Waldorf erklärte später: „Ein Paar Tage später wurde uns Gestapobeamten durch Kriminalinspektor Koslowski amtlich mitgeteilt, dass es sich bei der Erschießung um eine rechtmäßige, und ordnungsmäßige Angelegenheit handele, und dass kein Beamter sich Sorgen zu machen brauchte. Die Russen seien von Berlin, über die Gestapo-Leitstelle Düsseldorf zum Tode verurteilt.“