Max Kramer

Döbritschen, Deutschland
gestorben: 
25. Juli 1933
Opfergruppe: 

3752 Kramer Max Mord SA 25.07.1933 W 11631, 11632 Persönliche Daten Familienname: Kramer Vorname: Max Geschlecht: m Geburtsdatum: 24.9.1898 Geburtsort: unbekannt Beruf: unbekannt Todesdatum: 25.7.1933 Todesursache: Mord durch SA Adressangaben liegen nicht vor. Angaben zur Mitgliedschaft in Organisationen Organisation Freidenkerverband Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) Angaben zur Verfolgung Beginn Ende Grund 25.07.1933 25.07.1933 Politisch

 

 

Ein STOLPERSTEIN für Max Kramer

Hier wohnte

MAX KRAMER

Jg. 1898

von SA

verhaftet 26.7.1933

tot aufgefunden

26.7.1933

Der Stolperstein für Max Kramer ehrt einen Kommunisten, der für sein überzeugtes Eintreten gegen den Nationalsozialismus mit seinem Leben bezahlte. Gleichzeitig aber soll seiner Familie gedacht werden, vor allem seiner Frau Helene Kramer, die - obgleich sie ihre Verfolgung durch die Nationalsozialisten überlebte -  unendliches Leid erduldet hat.

Max Kramer wurde am 24. September 1898 in Döbritschen in Thüringen geboren. Schon früh bei der KPD und in der Gewerkschaftsarbeit engagiert, heiratete er 1923 auf dem Standesamt Gruiten die damals 19 Jahre alte Helene Schuch, die ebenfalls seit 1920 Mitglied der KPD war und aus einer politisch sehr aktiven Gruitener Familie stammte.

Ihr Vater Adolf Schuch war Leiter der KPD-Ortsgruppe Gruiten, saß mindestens seit 1924 als Vertreter der Gemeinde Gruiten für die KPD in der Bürgermeistereiversammlung (die ab 1928 nach Umbenennung der Bürgermeisterei in Amt Gruiten Amtsvertretung hieß), und wurde 1925 Kreistagsabgeordneter der KPD (die Kommunisten stellten damals mit 7 Sitzen die stärkste Fraktion des Kreistags).

Max und Helene Kramer wohnten in Gruiten. 1924 und 1929 kamen die beiden Töchter Thea und Sonja zur Welt, 1930 bezog die Familie zusammen mit den Schwiegereltern Adolf und Selma Schuch eine Wohnung in der Feldstraße 3, heute Fliederstraße.

Helene Kramer arbeitete im KPD-Parteibüro in Düsseldorf und saß ab 1930 zusammen mit ihrem Vater für die KPD in der Amtsvertretung Gruiten. (Bei dieser Wahl wurden zum ersten Mal auch zwei Nationalsozialisten in die Amtsvertretung gewählt.) Außerdem ist sie Kreistagsmitglied.

Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. In den folgenden Wochen gingen die Nationalsozialisten daran, ihre politischen Gegner „auszuschalten“. So erging sofort nach Bekanntwerden des Reichstagsbrands am 28. Februar 1933 folgender Funkspruch des Landratsamtes Düsseldorf an alle Bürgermeister im Regierungsbezirk: „Dringend. Düsseldorf Nr. 36. Geheim. Sämtliche führenden Persönlichkeiten der KPD ohne Rücksicht auf Abgeordneteneigenschaften auf Grund des § 22 der V.O. des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes vom 4.2.33 sofort in polizeiliche Haft zu nehmen.“ Im Zuge dieser Anordnung wurden auch Bereich des Amtes Gruiten zahlreiche Kommunisten und Sozialdemokraten verhaftet.

Max Kramer, KPD-Mitglied, ein grundsätzlicher Gegner des Nationalsozialismus und der Gruitener SA als Funktionär der ansässigen Arbeiterschaft verhasst, wie es später in seiner Wiedergutmachungsakte hieß, wurde wegen „Pressevergehens“ in Wuppertal-Bendahl inhaftiert.

Helene Kramer wurde noch am 28. nachts zwischen 11 und 12 Uhr auf dem Gruitener Bahnhof von dem Polizeiposten Ostrowsky in Begleitung von SA-Leuten in sogenannte „Schutzhaft“ genommen und zunächst ins Gerichtsgefängnis nach Elberfeld, wenige Tage später ins Polizeigefängnis Düsseldorf gebracht.

Adolf Schuch wurde am 4. März in seiner Wohnung verhaftet und am 5. August aus der Haftanstalt Elberfeld in das einen Monat zuvor eingerichtete und für seine brutale Führung berüchtigte KZ Kemna überführt.

Auch der Schwager Otto Ewert, Ehemann der Schwester Helene Kramers, wurde in Schutzhaft genommen.

Selma Schuch, die Großmutter, blieb mit den beiden kleinen Mädchen allein zurück. Die Lebensumstände waren für sie extrem schwierig. Auf finanzielle Unterstützung konnte sie, Angehörige mehrerer politischer Gefangener, nicht rechnen. Schikanen waren wohl ebenfalls an der Tagesordnung. Max Kramer kehrte im Juni aus dem Gefängnis nach Gruiten zurück und arbeitete als Steinbrecher. Mehrfach erhielt er in den Wochen nach seiner Entlassung Drohungen, dass man ihn liquidieren würde.

Die Wuppertaler SA war besonders berüchtigt für ihren Terror gegen Regimegegner. In den ersten Monaten der nationalsozialistischen Herrschaft ermordete sie dreißig Personen zum Teil auf offener Straße. In ganz Deutschland schätzt man - zum Vergleich - die Zahl auf fünf- bis sechshundert.

In der Nacht zum 26. Juli 1933 um ein Uhr drangen SA-Männer im Beisein von Selma Schuch und den beiden Töchtern Max Kramers in die Wohnung Kramer/Schuch ein und schleppten ihn mit sich. Bereits um zwei Uhr wurde er in Wuppertal In der Beek tot aufgefunden und als „unbekannter Toter“, wie es in einer Zeitungsnotiz des Generalanzeigers hieß, ins Städtische Krankenhaus Elberfeld-Arrenberg eingeliefert. Die Verletzungen wiesen darauf hin, dass er erschlagen wurde. Erst drei Tage später, nachdem man ihn identifiziert hatte, teilte man Selma Schuch seinen Tod mit.

Seine immer noch inhaftierte Frau Helene erhielt zur Beerdigung ihres Mannes „Urlaub“. Eine Mitgefangene erinnerte sich später an ihre Rückkehr: „Der tägliche Rundgang der Frauenschutzhäftlinge im Hof des Gefängnisses für Frauen in Düsseldorf. Lene Kramer ist wieder da. Sie brauchte sich nicht einreihen in den Kreis der Frauen, die genau auf den Meter Abstand voneinander zu achten hatten, damit kein Wort gewechselt werden konnte. Und doch wussten wir alle, Lenes Mann war …. ermordet worden. Keine von uns durfte ihr die Hand reichen… Und doch verspürte sie, dass wir alle zutiefst mit ihr empfanden. …Nichts zu vergessen, was man ihr, was man uns antat.“

Helene Kramer wurde erst am 29. Dezember 1933 aus dem Konzentrationslager Brauweiler, wohin sie von Düsseldorf aus verlegt worden war, entlassen. Einen Tag vor Heiligabend war ihr Vater Adolf Schuch aus dem KZ Kemna nach Hause zurückgekehrt. An den Folgen der Aufregungen und Schikanen starb ihre Mutter Selma Schuch an Silvester 1933.

Wenige Tage später, im Januar 1934, zog Helene Kramer mit ihren Kindern und ihrem Vater nach Wuppertal. „Aufgrund der Verhältnisse habe ich nach meiner Entlassung aus der Schutzhaft Gruiten verlassen müssen…“ schrieb sie später. Helene Kramer hat Gruiten nie wieder betreten. In Wuppertal musste sie sich mit Hilfe ihres Vaters, der mit Solinger Stahlwaren handelte und erst 1935 seinen bei der Inhaftierung eingezogenen Gewerbeschein zurückerhält, irgendwie über Wasser halten. Unterstützung erhielt sie als Regimegegnerin kaum. Auch wurden politisch Verfolgte bis Ende der 30er Jahre überhaupt nicht mehr in Arbeit vermittelt oder sie erhielten nur schlecht bezahlte Arbeitsstellen. Erst im September 1938 teilte man Helene Kramer wieder eine Arbeit zu, sie lebte jedoch mit ihren beiden Töchtern in ärmlichen Verhältnissen. Adolf Schuch war im Juni 1937 gestorben.

Hinzu kam bis zum Ende des Nationalsozialismus die für alle bekannten Regimegegner übliche ständige politisch-polizeiliche Nachüberwachung durch die Gestapo und die NSDAP mit Hilfe der Parteiorganisationen, der Blockwarte und auch der Nachbarn.

Nicht zu vergessen ist auch, dass für die Familie Kramer nach dem Krieg die Schwierigkeiten nicht aufhörten. Sie gehörten als Kommunisten zu einer von mehreren Opfergruppen, die noch lange Jahre nach Ende des Nationalsozialismus Diffamierungen und Diskriminierungen ausgesetzt waren, obgleich sie für ihre politischen Überzeugungen und ihr entschiedenes Eintreten gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft einen hohen Preis bezahlt hatten.

Helene Kramer wurde am 22.5.1946 wegen ihrer Mitgliedschaft in der KPD und ihrer Tätigkeit gegen das Nazi-Regime als politisch Verfolgte anerkannt.

Max Kramer wurde am 17.9.1953 vom Kreis-Anerkennungsausschuss in Wuppertal als Verfolgter der NS-Gewaltherrschaft anerkannt. Die Begründung lautete: „Max Kramer gehörte zu den grundsätzlichen Gegnern des Nationalsozialismus. Er fand ... durch nationalsozialistische Maßnahmen nach Verhaftung den Tod. Es besteht kein Zweifel daran, dass er am 26.7.1933 aus politischen Gründen und vorsätzlich ermordet wurde.“

 

 

 

09.   Januar 2007

Birgit Markley

Stadtarchiv Haan

 

 

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