Außenlager Neuengamme


Deutschland

KZ-Häftlinge

Innenhof

Rund 2000 Häftlinge aus dem Stammlager Neuengamme wurden im Haus untergebracht. Die meisten Häftlinge waren Russen, Polen, Franzosen, Belgier, Dänen, Tschechen und Deutsche. Sie schliefen auf engstem Raum in den Stockwerken zwei bis fünf. Im sechsten Stockwerk wurde ein Krankenrevier eingerichtet.[2] Die Häftlinge wurden morgens um 04:30 Uhr geweckt. Es folgten die Betteninspektion, das Frühstück – bestehend aus Eichelkaffee –, Zählappell im Innenhof der Georgsburg und Einteilung der Häftlinge in Arbeitskommandos. Der Hunger der Insassen war allgegenwärtig und zwang die Gefangenen, auf ihren Wegen zu den Arbeitseinsätzen Mülltonnen zu durchsuchen oder überfahrene Tiere zu essen. Viele Häftlinge verhungerten. Das KZ-Außenlager Hammerbrook war das Außenlager des KZ Neuengamme mit der höchsten Anzahl an Todesopfern: nachweislich etwa 500 Menschen starben während ihrer Inhaftierung, geschätzt sind es etwa 800 Häftlinge.[2] Allein 300 Häftlinge starben im Dezember 1944. Der Rückweg von den Arbeitseinsätzen zum Außenlager war häufig mit dem Tragen von Toten verbunden. Etliche Häftlinge waren von KZ-Aufsehern erschlagen worden oder aufgrund völliger Erschöpfung gestorben. Die Leichen wurden in einem Raum im Erdgeschoss abgelegt. Sterbende Häftlinge wurden dem Arzt im Krankenrevier überlassen. Jede Woche wurden die Leichen zum Stammlager nach Neuengamme transportiert, wo sie im Krematorium verbrannt wurden.

Funktion

Da die meisten Männer während des Zweiten Weltkriegs Militärdienst leisten mussten, fehlten in Hamburg Arbeitskräfte. Die KZ-Insassen wurden daher für Arbeiten unterschiedlicher Art eingesetzt. Die meisten Kommandos erreichten ihre Arbeitsstellen zu Fuß, andere fuhren mit der Straßen- oder der S-Bahn. Die Hauptarbeit lag darin, Schutt zerstörter, kriegswichtiger Gebäude wegzuräumen oder Sand, Baumaterialien und sonstige schwere Lasten hin- und herzuschaffen. Das Suchen von Minen und das Entschärfen von Blindgängern war besonders gefährlich. Schwer waren auch die Gleisreparaturarbeiten für die Deutsche Reichsbahn, die bei jeder Witterung im Freien durchzuführen waren.[2] Bei den Arbeiten in der Billbrauerei oder im Telegrafenamt hatten die Gefangenen hingegen ein Dach über dem Kopf und erhielten mittags einen Teller Suppe.

Lagerleitung und Wachmannschaft

Erster Lagerleiter des Außenlagers war bis November 1944 der SS-Führer Karl Wiedemann, der zudem in Personalunion Stützpunktleiter aller Neuengammer KZ-Außenlager auf Hamburger Stadtgebiet war. Nach einer Interimslösung beaufsichtigte ab Dezember 1944 der SS-Führer Arnold Strippel, der auch für den Mord an den Kindern in der Schule Bullenhuser Damm mit verantwortlich war, von dort aus als Lagerleiter alle Außenlager des KZ Neuengamme. Stellvertretender Lagerleiter war in Funktion eines Rapportführers durchgehend Hans Fiekers. Das Lagerpersonal bestand aus Angehörigen der Polizei und des Zolls, die in die Waffen-SS überführt wurden.[2]

Endphase des Lagers

Die Räumung des Außenlagers begann Mitte April 1945. Die Häftlinge wurden zu Fuß oder mit Lastwagen ins KZ Sandbostel bei Bremen geschafft, in dem viele an Krankheiten oder an Entkräftung starben. Die Befreiung des KZ Sandbostel durch die Briten erfolgte am 29. April 1945.[3] Streit um die Gedenktafeln [Bearbeiten] Gedenktafel Eine ehemalige Geschichtslehrerin des Gymnasiums Klosterschule und die KZ-Gedenkstätte Neuengamme setzten sich seit 2007 dafür ein, dass am Gebäude Gedenktafeln angebracht würden. 2009 erklärte sich die jetzige Eigentümerin, die Immobilienverwaltungsgesellschaft IVG, Nachfolgerin der Montan und seit 1993 privatisiert, hierzu bereit. Am 26. Oktober 2009 erfolgte die feierliche Einweihung durch den Staatsrat der Hamburger Kulturbehörde. Der Text auf den Gedenktafeln lautete:[4] „In den letzten Kriegsmonaten verwaltete die SS von hier aus die Hamburger Außenlager des KZ Neuengamme. Vom Oktober 1944 bis April 1945 waren im Hinterhaus, einem ehemaligen Tabaklager, auf sechs Etagen über 2000 KZ-Häftlinge untergebracht. Sie mussten im Auftrag der Stadt im schwer zerstörten Stadtteil Hammerbrook und im Freihafen Aufräumungsarbeiten durchführen, Gleisanlagen reparieren und Bomben entschärfen. In den sechs Monaten der Lagerexistenz verloren 800 Häftlinge ihr Leben. Viele weitere starben im Zuge der Lagerräumung im Auffanglager Sandbostel.“ – Gedenktafel Die Einweihung verlief jedoch nicht ohne Zwischenfälle, da Mitarbeiter des im Gebäude untergebrachten Büroeinrichtungsgeschäftes die Rollläden lautstark auf- und abfahren ließen. Bereits drei Wochen später hatte die Eigentümergesellschaft IVG die Tafeln ohne Abstimmung mit der Kulturbehörde entfernt, da sie im Frontbereich geschäftsschädigend gewirkt und Mieter des Gebäudes sich beschwert haben sollen. Die IVG hatte die Tafeln im Hinterhof aufstellen lassen, dessen Betreten jedoch verboten war. Die Kulturbehörde in Hamburg zeigte sich „zutiefst verwundert“. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Hamburg sprach von einer „Verhöhnung der Toten“, die Verlegung der Gedenktafeln sei eine „nachträgliche Schändung der Toten“. Der Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme Detlef Garbe forderte die Anbringung der Tafeln an der vorherigen Stelle. Wenige Tage später wurden die Gedenktafeln am ursprünglichen Ort wieder anmontiert.[5] Siehe auch [Bearbeiten] * Hamburger Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus Literatur [Bearbeiten] * Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 5, Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. Beck-Verlag, München 2007, ISBN 3-406-52965-8. Einzelnachweise [Bearbeiten] 1. ↑ Hamburger Morgenpost.de, Artikel Hamburgs vergessenes KZ vom 6. August 2007 2. ↑ a b c d Marc Buggeln: Hamburg-Hammerbrook (Spaldingstrasse). In: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 5, Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. München 2007, S. 406ff. 3. ↑ taz.de, Artikel Ein KZ mitten in Hamburg vom 26. Oktober 2009 4. ↑ Hamburger Morgenpost.de, Artikel Schämen Sie sich nicht? vom 21. November 2009 5. ↑ VVN-BdA, antifa, Artikel Streit um Gedenktafel, Januar/Februar 2010 EINESTAGES - 7. März 2011 21:36 URL: http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/263/1/ein_unbek... Lager Spaldingstrasse Ein unbekanntes KZ mitten in Hamburg Das zerstörte Hammerbrook Barbara Brix Mit der S-Bahn vom Hamburger Hauptbahnhof kommend in Richtung Berliner Tor unterwegs, springt einem rechts ein langgestrecktes Gebäude in schmuckem Gelbweiß ins Auge. Nichts weist darauf hin, dass sich hier im letzten Kriegsjahr 1944/45 das größte Nebenlager des KZ Neuengamme befand. Das Gebäude, eine ehemalige Tabakfabrik, war von der SS vermutlich im November 1944 ausgesucht worden, weil es die schweren Bombardierungen, die die umliegenden Viertel Hammerbrook und Rothenburgsort in Schutt und Asche legten, nur wenig beschädigt überstanden hatte. Die "Georgsburg", wie der Komplex genannt wurde, stand einsam in der Trümmerlandschaft, und der einzige Zugang an der Spaldingstrasse war leicht zu bewachen (auf der Rückseite verlief ein heute zugeschütteter Kanal ). In unmittelbarer Nähe lagen einige der Örtlichkeiten, an denen die Häftlinge arbeiten sollten: Sie hatten dort die zerstörten Schienen und Kabelschächte von Reichs- und S-Bahn zu reparieren, Minen in den Ruinen der Häuser zu räumen und Leichen zu bergen. An dem siebenstöckigen Gebäude nahm die SS nur wenige Veränderungen vor: In dem teilweise eingestürzten Vorderhaus wurde eine Küche eingerichtet, in jedem Stockwerk Waschräume und Toiletten installiert und die Fenster zugemauert. Im Erdgeschoss des Hinterhauses waren Wachdienste und Kommandantur untergebracht. Dort hatte auch der berüchtigte SS-Sturmbannführer Arnold Strippel, der alle Nebenlager von Neuengamme beaufsichtigte und unter anderem den Mord an den 20 jüdischen Kindern vom Bullenhuser Damm befehligte, seinen Dienstsitz. Die Zahl der ausschließlich männlichen Häftlinge schwankte jeweils zwischen 1500 und 2000. Sie kamen aus aller Herren Länder: Russen, Polen, Franzosen, Belgier, Dänen, Deutsche, Tschechen. In den Etagen 2 bis 5 wurden je 300 bis 500 Häftlinge zusammengepfercht. Das oberste, siebte Stockwerk war beschädigt und wurde nicht genutzt. Im 6. Stock lag das Krankenrevier, in dem die Kranken in zwei großen, schlecht beleuchteten, schmutzigen Sälen auf Strohsäcken schliefen. Über lange Zeit gab es kein Wasser, weil die Zuleitungen zerstört waren. In dem schmalen Innenhof wurden täglich in der Schwärze des frühen Morgens nach dem brutalen Wecken (um 4:30 Uhr oder früher), der Betteninspektion und einem Becher Eichelkaffee die nicht enden wollenden Zählappelle durchgeführt und die Arbeitskommandos eingeteilt, bevor die arbeitsfähigen Häftlinge in Fünferreihen aus dem Tor marschierten. Leichenschleppen auf dem Heimweg Der Arbeitstag dauerte bis zum Sonnenuntergang, und wenn ein Trupp in den Augen der SS zu früh in die Spaldingstraße zurückkehrte, musste er kehrt machen und aus den umliegenden Trümmergrundstücken Ziegelsteine und Eisenträger für den weiteren Ausbau des SS-Luftschutzbunkers herbeischleppen. "Der Rückweg ins Lager (...) war normal mit Leichentragen verbunden.", erinnert sich der Häftling Stanislaw Sterkowicz. "Es waren Erschlagene oder Tote aus totaler Erschöpfung und in den letzten Zügen. Am Eingang (...) mussten sich die Häftlinge mit abgelegten Mützen dem Rapportführer zum Rapport melden und vor ihm defilieren. Die Leichen wurden in einem bestimmten Raum im Erdgeschoss niedergelegt, die in den letzten Zügen dem Arzt im Revier überlassen. Jede Woche transportierte man die Leichen zum Stammlager Neuengamme, wo sie im Krematorium verbrannt wurden." Allein im Dezember 1944 kamen 300 Gefangene um. Die meisten Kommandos erreichten ihre nahe gelegenen Arbeitsstellen zu Fuß; aber andere fuhren quer durch Hamburg mit der Straßen- oder S-Bahn. "Die Hauptbeschäftigung bestand im Schuttwegräumen zerstörter, kriegswichtiger Gebäude, im Hin- und Herschaffen von Sand, Baumaterialien und sonstigen schweren Lasten", so der Spaldingstraßen-Häftling Manfredis Zichmanis. Es gab "gute" Kommandos, wie zum Beispiel die Billbrauerei oder das Telegrafenamt, wo man unter Dach arbeitete, die Kapos nicht so streng waren oder vielleicht eine Suppe gereicht wurde; es gab "schlechte", wie etwa bei der Reichsbahn in Rothenburgsort, wo harte Arbeit bei Wind und Kälte im Freien verrichtet werden musste und es nichts zu essen gab; und es gab gefährliche "Himmelfahrtskommandos" beim Beseitigen von Blindgängern. Das Außenlager mit den meisten Toten Von den Außenlagern des KZ Neuengamme war die Spaldingstraße das mit der höchsten Zahl an Opfern: 500 Tote sind nachgewiesen, die tatsächliche Zahl wird auf etwa 800 geschätzt. In den rund sieben Monaten seines Bestehens suchte es seinesgleichen, was Brutalität und Arbeitsbedingungen, Hygiene und Mangelernährung angeht. Die einzige Wasserquelle war eine Badewanne, in der auch die Pinkelbecken gereinigt werden mussten. Auf dem Weg zur Arbeit durchstöberten die unterernährten Häftlinge Mülltonnen auf der Suche nach Essbarem. "Wenn auf der Straße manchmal ein Auto einen Hund überfahren hatte, griffen wir nach dem toten Tier und aßen es", berichtet Sterkowicz. Anfang April 1945 begann die Räumung des Lagers. Unterschiedliche Häftlingstransporte verließen die Spaldingstraße zu Fuß oder mit Lastwagen in Richtung des KZ Sandbostel bei Bremen, wo viele von ihnen noch vor aber selbst nach der Befreiung durch die Engländer am 29. April an Krankheiten oder Entkräftung starben. Warum ist die Spaldingstraße 158 ein "unbekanntes" KZ-Nebenlager geblieben? Alle Lagerdokumente, einschließlich des Totenregisters aus dem Revier, sind in den letzten Tagen des Krieges verbrannt worden; damit fehlt - außer einigen Häftlingsberichten - jedes schriftliche Beweismaterial für die Untaten der Bewacher. Nachfragen bei den Nachfolgern der damaligen Arbeitgeber und Nutznießer der Häftlingsarbeit wie der Deutschen Bahn, der Stadt Hamburg oder der Telekom ergeben immer wieder die gleiche Antwort, man besäße keine Unterlagen. Die gegenwärtige Eigentümerin des Gebäudekomplexes Spaldingstraße 152-162, eine Münchner Immobiliengesellschaft, wehrte sich lange gegen die Anbringung einer Erinnerungstafel. Nachdem im August 2007 die Lokalzeitung "Hamburger Morgenpost" über das unbekannte KZ im Herzen der Hansestadt berichtet hatte, erklärte eine Sprecherin des Unternehmens, man sei bereit, darüber mit der Denkmalschutzbehörde noch einmal darüber zu verhandeln. Eingereicht von: Barbara Brix